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Cover der Evelyn Swing CD


DU TRITTST MEINE LIEBE MIT FÜSSEN ist offensichtlich ein bevorzugter Track auf der neuen CD "KUSS" von Götz Alsmann!
Ein guter Grund für uns, die Künstlerin Evelyn Künneke noch einmal näher zu beleuchten, zumal wir genau diesen Song mitunter als Aufhänger unserer Künneke-Swing-Compilation gesehen haben, die bereits im vergangenen Jahr bei Ceraton in Hamburg erschienen ist! Da wir neben der Zusammenstellung auch die "Liner Notes" geschrieben haben, erlauben wir uns, die Vita von Evelyn Künneke (manchmal auch: Künnecke)dem Booklet wieder zu entnehmen!

Ado Schlier - Bayrischer Rundfunk: "Grosses Kompliment für die wirklich wunderschöne CD von Evelyn Künneke."
Unter der Bestellnummer CT 9028 im sortierten Fachhandel erhältlich oder direkt bei www.ceraton.com


SWING IT, EVELYN!


Sie war weit mehr als die „tolle Tante aus der Tingeltangelschau”, mehr, als die Interpretin obszöner Küchenlieder, als eine gealterte Diva, mit ihren fast 80 Jahren von Erinnerungen zehrend immer noch auf Tour: der Zirkusgaul, der trabt und trottet, bis er umfällt. Als agiler Bestandteil der Berliner Nachtclub-Szene der späten 30er und frühen 40er Jahre, vom Virus klappernden Eisens auf poliertem Parkett hoffnungslos befallen, war sie die Swing-Nachtigall, eine Hot-Hedonistin par Exelance.


Wie war das denn noch gleich mit dem Swing und anderer Musik angloamerikanischer Färbung in den 1000 Jahren zwischen 33 und 45 in Deutschland und großen Teilen Europas? – Gab es da nicht diverse Bemühungen, dem Kulturbolschewismus Einhalt zu gebieten? Gab es da nicht auch so Revoluzzer, die sich so was gar nicht gern bieten ließen, sich nicht bevormunden lassen wollten, raus aus allen Zwängen … und bei Verbot erst recht? Wie unzählige Altersgenossen wollte auch sie einfach nur jung sein dürfen und fand sich ganz plötzlich im politischen Abseits.


Fräulein Eva Susanne Künneke aus der Giesebrechtstraße in Berlin, Jahrgang 1921, war eine emanzipierte Frau im positivsten Sinne: jung, frech, rebellisch, aufmüpfig, talentiert und vor allem: stolz. Erst in zweiter Linie war sie auch die einzige Tochter des bekannten Operetten-Komponisten Eduard Künneke, ihrem übergroßen Alter-Ego, dem sie Zeit ihres Lebens, bewusst oder unbewusst, stets ihr Talent beweisen musste, obwohl dieser nur dann komponierte, wenn Geld benötigt wurde.


Ihre Karriere ist in ein paar kurzen Worten lang erzählt: tagsüber heimlich Step-Unterricht und abends Star in der Berliner Scala, eigenes Tanzstudio noch in den 30er Jahren, auch in Berlin, Auftritte als Tänzerin im In- und Ausland unter ihrem neuen internationalen Pseudonym Evelyn King – Weltenbrand: Berufsverbot für Evelyn King, zu international, zu britisch! Also wurde aus dem gefeierten Step-Star Evelyn Künneke. Ihre innige Beziehung zu Michael Jary brachte ihr den Durchhalte-Hit „Sing, Nachtigall, Sing” und den inoffiziellen Kosenamen „Swing Nachtigall”, da sie trotz Ächtung ihrer Lieblingsmusik über die Soldatensender von Belgrad und Weika Luki zur Truppenbetreuung immer wieder Swing-Titel einspielte. –Fronttheater- „My Guy’s Come Back” von Ella Fitzgerald rettete sie aus der Todeszelle des Berliner Gestapo-Gefängnisses, da ihr Gesangsstil, der sie eigentlich dorthin gebracht hatte, plötzlich als kriegswichtig galt! So sollte sie entsprechende anti-amerikanisierte Swing-Titel für das geheime Propagandaorchester „Charlie and His Orchestra” einsingen, wozu es aber aufgrund des plötzlichen Zusammenbruchs des NS-Regimes nicht mehr kam.


Die Stunde Null schenkte der Welt wieder Freiheit: Die Freiheit, Erbsen-konserven und Nähnadeln Mangelware und begehrte Tauschobjekte auf dem schwarzen Markt für Seidenstrümpfe und Champagner werden zu lassen. Ausgerechnet damit handelten Michael Jary und Freundin Künneke, um im Hauptberuf bereits 19 Tage nach Kriegsende mit dem RBT-Orchester in Berlin Swing-Musik zu spielen. Nebenbei sang sie noch bei Helga Willes Hip-Harmonisten, den Nicolettes, Closed Harmonies der intelligenten Art. - Für die erschöpfte Bevölkerung und wider erwarten auch für die Russen, die nun die Stadt „verwalteten”. Kulturbefehl, Leben außerhalb des Ausnahme-zustandes, Normalität nach Dienstplan in über 75 000 Kubikmetern Schutt.


Bereits im Jahre Zwei der neuen Zeitrechnung gab es Ärger, sowohl mit Jary als auch mit der SED, daher zog sie kurzerhand nach Hamburg, wo schon BFN und der NWDR warteten. In Frankfurt schrieb Orchesterchef Willy Berking ihr „Barbara, Barbara” auf den Leib. „Drei Kleine Geschichten” aus der gleichen Zeit sollten ihr Lieblingslied werden und immer wieder in ihren Programmen auftauchen. Aufgrund des Erfolges in der Beinahe-Hauptstadt wurde jetzt kurzerhand in die Hessenmetropole übergesiedelt. Das bedeutete: Die begehrten Saarpässe und ungehindertes Reisen ins nahe Frankreich und nach Paris, wo die Sache mit „Ol’ Blue Eyes”, Frank Sinatra, passierte. Wie viele ihrer Altersgenossinnen war auch sie überzeugte Sinatrasklavin. Nach einer geheimnissumwitterten Nacht war man endlich pari mit Jary, man vertrug sich wieder und reiste gemeinsam nach Wien, ebenso wie Berlin eingeteilt in vier Sektoren, Harry Lime schielte aus so manchem Kanaldeckel und ständig zitherte der Dritte Mann.


Immerhin tourte sie auch mit dem besonders progressiven Orchester von Stan Kenton für knapp zwei Monate anstelle von June Christy, bis sie den Drogenmief der meisten Musiker einfach nicht mehr ertragen konnte. Bis in die frühen 50er Jahre zog es sie immer wieder für längere Zeit an die Donau, um mit Horst Winter und den Jazzern des Hot Club Vienna von Ernst Landl und Hans Koller Aufnahmen für Austroton zu machen. Immer wieder Hot, aber der typische Schlager für Wirtschaftswunderkinder gewann nach und nach auch in ihrem Repertoire die Oberhand. Sicher hilfreich war, dass der Künneke-Schlager „Allerdings sprach die Sphinx” aufgrund textlicher Zweideutigkeiten bald auf dem Index diverser Radiostationen stand. – Verboten war immer gut, gerade nach den letzten 1000 Jahren Diktatur und typisch deutscher Prüderie: die Platte verkaufte sich gerade deshalb gut und trug sicherlich auch zu Evelyns verruchtem Ruf bei, wobei die Frage nach dem „Dings” bis heute nicht eindeutig geklärt ist.


Eine Odyssee mit typischen Hochs und Tiefs bahnte sich an: mehrere Comebacks, Musik- und Revue-Filme, Plattenverträge mit Polydor, Bertelsmann, Metronom und diversen anderen Labeln, Amerika, Aufstieg zum Anti-Star einer urbanen Sub-Kultur gemeinsam mit Freunden Rosa von Praunheim, Rainer Werner Fassbinder und immer wieder Swing, Swing, Swing. Evelyn Künneke ist am 28. April 2001 im Alter von 79 Jahren in ihrer Heimatstadt Berlin gestorben. Diese Zusammenstellung beschäftigt sich ausschließlich mit den swingenden Titeln aus dem Schaffen dieser diesbezüglich verkannten Künstlerin.


Schellackarchiv, Text & Artwork: Maja Bernard & Sven Uhrmann - Swing DJ - www.swing-o-logy.de

DIE TITEL:

1. A Kiss Good Night 2:13
2. Du trittst meine Liebe mit Füssen 2:03
3. Make Love To Me 2:11
4. Irgendwo, irgendwann 3:09
5. Bei mir bist du schön 2:46
6. Es hat keinen Zweck mit der Liebe 3:17
7. Oh ja, oh nein 2:32
8. Kleines Herz zu vermieten 2:47
9. Baby, es regnet doch 2:33
10. Der blaue Montag 2:51
11. Yes, My Darling Daughter 2:19
12. Barbara, Barbara, komm mit mir nach Afrika 2:39
13. Haben Sie schon mal im Dunkeln geküßt? 3:06
14. The Joint Is Really Jumping Down At Carnegie Hall 2:36
15. Mein altes Koffergrammophon 2:50
16. Drei kleine Geschichten 3:07
17. Dein Kuss von heute Nacht, mein Schatz 2:47
18. Du bist heut’ schlecht rasiert 2:28

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